rumgestromert
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Allstedt

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Allstedt

Ob du glaubst oder nicht, aber Goethe und Allstedt, da ging was. Natürlich der Goethe, wo du als Schüler in der Deutschstunde immer gedacht hast, man ist das aufregend, und Allstedt, das kennt keiner, weil kurz bevor die Welt zu Ende ist haben die gerade noch Allstedt hingestellt. Also die Autobahn von Halle in Richtung Göttingen, an Eisleben und Querfurt vorbei und schon bist du da. Das Städtchen interessiert uns vorerst nicht, gleich rauf auf den Schlossberg. Bei Sonnenschein und angenehmen Temperaturen ist es zwar überall schön, aber hier ganz besonders. Höhepunkt natürlich, die haben das Schloss nicht so richtig für viel Geld saniert wie all die Anderen. Die sehen nämlich aus wie neu aufgebaut, Hochglanz und mit Lack poliert und wenn du dir als kleines Mädchen gewünscht hast einmal eine richtige Prinzessin mit Schloss und so, dann Allstedt sicher nicht erste Wahl. Aber das Gemäuer hat Charme und die Vergangenheit ist hier ein bisschen mehr allgegenwärtig als sonst wo. Im Schatten einiger altgewachsener Bäume mit seltenen eigenartigen Früchten und ihrem weit ausladendem Blattwerk lässt es sich angenehm vor dahin dösen. Und der Geheime Legationsrat aus Weimar hier natürlich unterwegs in dienstlichen Angelegenheiten seines Landesherren, so in den Jahren 1776 bis 1782, aber nicht so bussy wie die heute dienstreisenden Laptopsklaven. Das ging damals noch alles viel gemütlicher zu, eile mit weile und Zeitmanagement erst Folterwerkzeug späterer Generationen. Der Johann von nahm sich denn auch hier auf dem Schloss Allstedt  Zeit für einige Passagen der Iphigenie auf Tauris. Kennt heute kaum einer, liest sich auch so schlimm wie es klingt, Sturm und Drang, schwere Kost. Geblieben ist der Satz....du sprichst ein großes Wort gelassen aus. Nicht dass du denkst, mal so schnell im Vorbeigehen den großen Dichterfürsten niedermachen wegen seiner Iphigenie, mitnichten und deswegen kurz der beste Goethe aller Zeiten...

Die Haustürklingel an der Wand,

der Frauenbusen in der Hand,

sind beides Dinge, wohlverwandt.

Denn wenn man beide leis' berührt,

man innen drinnen deutlich spürt,

dass unten draussen einer steht,

der sehnsuchtsvoll nach Einlass fleht

Das Schloss ist natürlich nicht gleich als Schloss auf die Welt gekommen. Ursprünglich eine Pfalz, also Residenz des Kaisers und verrpflichtet diesen und sein Gefolge zu verköstigen, vermutlich so zur Zeit der Ottonen nach 900. Allstedt selbst ist bereits in alten Urkunden aus den Jahren 777 und 880 erwähnt und wurde dann irgendwann um 1300 als Pfalzgrafschaft Sachen-Allstedt bezeichnet, was immer dies auch zu bedeuten hatte. Später ständige Besitztumsänderungen an die Stollberger, an Wettiner, sonste wer und haste nicht gesehen, merkt sich sowieso keiner. Auf der Burg wurde natürlich auch ständig rumgebaut, alte Bausubstanz aus der Zeit um 1300, ältestes sichtbares Gemäuer aus der Zeit um 1400, während der Zeit der Renaissence und des Barocks An- und Umbauten und 1721 die Schlosskapelle, der übliche Stilmischmasch der über Jahrhunderte gewachsen Burgen und Schlösser.

Lebloses, schön anzusehendes Gemäuer natürlich reizvoll und wird nachhaltig an der Pinnwand der Erinnerungen befestigt, aber das Sahnehäubchen etwas ganz Lebendiges, ein wichtiger Ort deutscher Geschichte, ein Aufbegehren gegen die Mächtigen, allerdings ohne Happy End. Hier wirkte Thomas Müntzer, nur kurzzeitig während der Wirren der Reformation und vor dem Bauernkrieg. Der Stellenwert, den ihm die Historikerzunft zudachte, war in den Kaltekriegdeutschlands höchst unterschiedlich. In der DDR gefeiert und konsequenterweise in der BRD unterbewertet links liegen gelassen. Auf bundesdeutschen Briefmarken gar nicht, auf den deutschdemokratischen Marken mehrfach gewürdigt. Wie man so schön sagt, liegt die Wahrheit meist in der Mitte, aber nicht in dieser Angelegenheit, die ostdeutschen Historikerbüttel hier die Nase unendlich weit vorne. Die den Westdeutschen aufgedrückte Nachzweiteweltkriegsdemokratie vollkommen traditionslos und ein Müntzer, der den Mächtigen Vorrechte für das gemeine Volk abtrotzen will, vollkommen unakzeptabel. So befinden wir uns hier an einem dem heutigen neuen obrigkeitsdeutschen Gesellschaftsdenken weit entfernten Punkt. Die im Juli 1524 in Anwesenheit der späteren sächsischen Kurfürsten gehaltene Fürstenpredigt hatte es in sich. Ausgangspunkt seiner Rede war eine alttestamentarische Bibelgeschichte die zeitgemäß interpretiert die Willkür der weltlichen und geistlichen Obrigkeit anprangert, dem Untertanen Selbstbestimmung und Widerstandsrecht zugesteht. Offiziell genannt die Fürstenpredigt, eigentlich aber eine Gardinenpredigt, nicht in der Kapelle gehalten sondern 75 minütig in der Hofstube, in der die Fürsten gerade ihr Frühstück einnahmen. Weil ihm seine Ansprache so gut gefiel, hat er diese gleich ohne Erlaubnis des Landesherrn in Druck gegeben. Die Weltlichkeit anfänglich eigenartiger Weise ganz unaufgeregt, aber der Luther in Wittenberg not amused und war auch mit anderen religionspolitischen Maßnahmen Müntzers in Allstedt wenig konform, nannte diesen einen Aufrührer und tat das Seine um Müntzer bei der sächsischen Herrschaft zu schaden. Nach dem Motto, es kann nur einen geben, es geht voran, es falle neben mir Freund und Feind, obsiegte Luther und Müntzer floh Anfang August 1524, vier Wochen nach der Fürstenpredigt aus Allstedt. Ein Jahr später die Schlacht bei Frankenhausen und seine Enthauptung vor den Stadttoren Mühlhausens. Hut ab vor diesem Mann.

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© Christian Kricke